Inspiration

“Die große Wegkreuzung“ (von Roland Kübler)

Februar 27, 2018

Ein junges Mädchen aus den Bergen verließ ihr Heimatdorf. Schon als kleines Kind hatte sie den Traum, eines Tages ans MEER zu gehen, um sich dort in das schäumende Meerwasser legen zu können und den Geschmack des Salzwassers auf den Lippen zu spüren. Es war sozusagen der Traum ihres Lebens. So verabschiedete sie sich von Vater und Mutter und ging den Weg hinunter ins Tal. Auf ihrem Weg begegnete sie oft anderen Menschen. Fremden, die ihr abrieten weiterzugehen, denn der Weg zum MEER sei weit und beschwerlich. Sie ließ sich nicht beirren und ging immer weiter. Eines Tages war sie dann aber doch sehr müde und als sie an eine große Wegkreuzung kam, hielt sie an, um auszuruhen. Sie konnte sich dann einfach nicht mehr entscheiden, weiterzugehen. An der Kreuzung standen ihr vier Wege zur Auswahl. Jeder führte in eine andere Richtung. Wohin sie führten, konnte sie nicht sagen. Sie saß dann dort für eine lange Zeit, ohne sich für einen der Wege zu entscheiden. Weil sie sich einfach nicht entscheiden konnte, und sie immer wieder Menschen begegnete, die sich für ihren Traum nicht interessierten, verbrachte sie die meiste Zeit ihres Lebens damit, das zu tun, was andere ihr rieten.

Die Jahre vergingen, immer wieder drängte sich ihr Traum – irgendwann das MEER zu erreichen – in ihr Bewusstsein und so machte sie sich immer wieder mal auf den Weg dorthin. Doch immer endete ihre Reise an der besagten Wegkreuzung. Die Geschichte erzählt sehr eindrucksvoll davon, wie sie immer wieder von ihrer Unfähigkeit, sich für einen der vier Wege zu entscheiden und von Ratschlägen anderer Menschen, davon abgehalten wurde, ihren Traum zu verwirklichen. Sie verbrachte viel Zeit an der Weg-Kreuzung und zwischendurch immer wieder einige Jahre an anderen ORTEN, zu denen sie von Fremden mitgenommen wurde. Als sie bereits eine alte schwache Frau war, machte sie sich dann ein letztes Mal auf ihren Weg. Wieder verweilte sie bald an der großen Kreuzung. Eines Nachts entschloss sie sich schließlich ins Gebirge hinaufzusteigen um von oben sehen zu können, was dahinter verborgen lag.

Der Weg auf die Bergspitze war für die alte Frau sehr anstrengend und nur mit allerletzter Kraft kam sie ganz oben an. Sie wusste, dass sie zu schwach war, jemals den Weg weiterzugehen. Aber von dort oben konnte sie die vier Wege sehen. Und sie erkannte, dass alle irgendwann ans MEER führten. Sie meinte fast die tosenden Wellen sehen zu können, aber sie konnte nichts hören, denn sie war noch zu weit entfernt. Den Traum, eines Tages im Meerwasser zu baden und das salzige Wasser schmecken zu können, konnte sie nicht mehr verwirklichen. Dabei wäre es so einfach gewesen. Sie hätte einfach nur weitergehen müssen. Egal, welchen Weg sie gewählt hätte. (von Roland Kübler, kurz beschrieben von Ralf Hillmann)